Regierungen
Momentan sind zwei europäische Länder ohne Regierung: Belgien (sie können es sich aber leisten) und Bosnien und Herzegowina. Die Wahlen waren noch im Oktober statgefunden aber immer noch haben wir keine Staatsregierung. Durch die sehr komplizierte innere Organisation ist es den „Gewinner“-Parteien noch immer nicht möglich eine funktionierende und im Parlament unterstützte Regierung zu bilden.
Innerlich ist Bosnien und Herzegowina in zwei Teile (sgn. Entitäten) geteilt: Republika Srpska (serbische Republik) und Föderation Bosnien und Herzegowina. Republika Srpska ist im Bosnienkrieg 1992-1995 enstanden und (leider) als ein Teil von Dayton-Friedenabkommen unterzeichnet worden. Viele Teile der serbischen Republik waren von Kroaten und Bosniaken bewohnt – in manchen Gemeinden waren diese zwei Völker zusammen mehr als 50% der Bevölkerung gewesen. Heute schätzt man die Anzahl der Kroaten und Bosniaken in RS auf weniger als 8%. Daher sind die Entscheidungswege in RS viel einfacher (die Serben unter sich teilen sich die Position und Oposition) und so hat RS bald nach den Wahlen im Oktober die Regierung bekommen.
Föderation Bosnien und Herzegowina ist in 10 Kantons geteilt und in diesen Kantons ist die ethnische Teilung relativ klar (Posavina Katon, West-Herzegovina und Kanton Nr. 10 sind überwiegend von Kroaten bewohnt, Herzgowina-Neretva so wie Mittelbosnischer Kanton sind vermischt und in den restlichen fünf sind Bosniaken überwiegende Mehrheit). Bis jetzt war es auch so, dass die nationalistischen Parteien es sich unter sich gemacht haben. Bosniakische Nationalisten (SDA, SBiH) haben in den „bosniakischen“ Kantons regiert und kroatische Nationalisten (HDZ, HDZ1990) haben den Rest gesteuert.
Nach den letzten Wahlen war es klar, dass es nicht mehr so sein wird. Denn, aufgrund von katastrophalen Zuständen in der Wirtschaft, sehr verbreiteten Korruption in allen Regierungskreisen, und allgemein schlechter Lage im Land, hat die stärkst opositionelle Partei (SDP – Sozialdemokratische Partei – ähnlich wie bei NSRzB wird SDP vorgeworfen, dass sie nur bosniakische Sozialdemokraten sind und keine multi-ethnische Partei wie SDP für sich behaupten mag) in Bosnien und Herzegowina die Wahlen gewonnen. Sie haben sie gleich gegen eine mathematische (was bis jetzt immer der Fall war) und für eine Programm-Koalition ausgesprochen. Das stiess allerdings auf den weiten Wiederstand unter allen nationalistischen Parteien.
Erst vor 10 Tagen (fast 6 Monate nach den Wahlen) hat die Föderation eine Regierung bekommen, allerdings haben zwei stärkste kroatische Parteien abgelehnt in dieser Regierung zu partizipieren, so wurde eine „patch-adams“ Koalition vereinbart, die SDA (diese Partei wird schwer zu schlagen und wird sich noch lange in allen Regierungskreisen befinden, obwohl die meisten Korruptionsvorwürfe gegen diese Partei lauten, aber sie nehmen es für sich als „Beschützer bosniakischen Korpus“ dazustehen und daher unter älteren und nicht-gebildeten Leuten – leider – immer noch als beste Partei gelten), SDP, HSP (eigentlich kroatische radikal-rechte, aber in Bosnien ist alles möglich) und NSRzB (Volkspartei, de iure multi-ethnisch, de facto kroatisch) vereint hat.
Zwei HDZs wollen aber als ausschliessliche Repräsetanten krotisches Volkes in Bosnien und Herzegowina bleiben und wollen diese Regierung nicht anerkennen. Sie haben zu diesen Zwecken die Delegaten aus den Kantons wo sie gewonnen haben nicht festlegen, weil sie dadurch auf neue Wahlen gespielt haben. Dieser Plan ist glücklicherweise nicht aufgegangen (wer braucht neue Wahlen im Land wo sowieso an Geld schon gewaltig mangelt und letztendlich auch nichts Neues rauskommen wird) und SDP hat es geschafft eine Regierung zu bilden. Zumindest für die Föderation.
Auf Stattsebene wird es noch dauern. Da wollen zwei HDZs mit Hilfe von Dodik (SNSD – serbische Sozialdemokraten, zumindest de iure, aber de facto serbische Nationalisten, nicht anders als SDS – von vielen die Partei die massgeblich an Ausbruch des Krieges verantwortlich war und kurz nach dem Krieg von den Amerikanern noch fast verboten wurde) auf keinem Fall SDP in die Staatsregierung aufnehmen. Bis jetzt waren es von allen drei Seiten Nationalisten die regiert haben. Jetzt gibt es eine Partei, die sich dem Konzept widersetzt und für ein bürgerliches Bosnien antritt und das ist für alle Nationalisten – egal von welchen Korpus – ein Problem, denn sie wollen ständig beweisen (Dodik vor all den anderen) dass Bosnien in der Form nicht weiter existieren kann und eine Dissolution als einzige Alternative sich anbietet. Mit SDP ist ihnen aber ein Strich durch die Rechnung gegangen und jetzt wird taktisch gespielt um SDP fern von den Ministerposten zu halten. Mal sehen wie alles endet. Ich bin in der Sache nicht so pesimistisch, weil in Bosnien immer eine unerwartete Wende passiert. Diese Leute sind zu sehr in eigene Posten verliebt und nur ungerne geben sie höhe Ministereinnahmen weg.